Um sein Leben schreiben – Texte zu Herkunft und Zukunft

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Tübinger Poetik Dozentur 2023

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Artikelnummer: 978-3-89929-461-3 Kategorie:

Beschreibung

Christian Baron und Édouard Louis haben im Oktober und November 2023 die Vorlesungen der Tübinger Poetik-Dozentur gehalten. Im vorliegenden Band kommentieren beide ihre Arbeit als Autobiografen, als Biographen. Sie gelten als Protagonisten – zusammen mit Didier Eribon und Annie Ernaux – einer neuen Gattung, der Autosoziobiografie. Autobiographien erzählen von Lebensläufen, von anrührenden, interessanten, von außergewöhnlichen oder aber auch von gewöhnlichen, scheiternden oder sogar solchen Biographien, die gar keine zusammenhängenden Lebensläufe erkennen lassen. Das Nachdenken über Autobiographien und ihre Form, ihre Ziele und ihre Sprache ist so alt wie die Gattung selbst. Christian Baron und Édouard Louis allerdings haben diesen Reflexionen noch einmal eine eindrucksvolle Wendung gegeben. Die Vorlesungen haben einen dezidiert politischen Fokus und sind durch einen Klassenwandel, besser: durch Bildungsaufstieg geprägt. In letzter Zeit hat sich für solche Texte der Begriff der Autosoziobiografie etabliert. Die Poetikvorlesung aus dem Jahr 2023 verbinden ein aktuelles literarisches Genre mit brisanten politischen Fragestellungen, die nicht auf einzelne Staaten beschränkt sind, sondern Literaturen, Sprachen und Gesellschaften miteinander in Beziehung bringen.

Christian Baron, geboren 1985 in Kaiserslautern, studierte Germanistik, Soziologie und Politikwissenschaften und arbeitet als Journalist und freier Autor in Berlin. Sein literarisches Debüt Ein Mann seiner Klasse (2020) wurde als „Buch der Stunde“ bezeichnet. In dieser Autobiografie seiner Kindheit und Jugend in äußerst prekären Verhältnissen und die Auswirkungen von Armut und Gewalt auf das Familienleben im Arbeitermilieu. Das Buch wurde mit dem Klaus-Michael-Kühne-Preis und dem Literaturpreis „Aufstieg durch Bildung“ der noon-Foundation ausgezeichnet. Ein Mann seiner Klasse wurde als Theaterstück in Hannover, Berlin und Kaiserslautern aufgeführt und als Hörbuch vertont; die gleichnamige Fernsehverfilmung hatte im Herbst 2024 Premiere. Zuletzt erschien der Roman Schön ist die Nacht (2022), der eine „fulminante Proletariergeschichte“ (Elke Heidenreich, SZ) aus einer „Position des Unten“ erzählt; er folgt dem – fiktionalisierten – Leben von Barons Großvätern Horst Baron und Willy Wagner und kann als Vorgeschichte zu „Ein Mann seiner Klasse“ gelesen werden.

Édouard Louis, geboren 1992 als Eddy Bellegueule in Hallencourt, studierte Philosophie und Soziologie und lebt heute als Schriftsteller in Paris. Sein erster Roman Das Ende von Eddy, 2015 ins Deutsche übersetzt, wurde 2014 mit dem Pierre Guénin-Preis gegen Homophobie ausgezeichnet und machte Louis zu einem der bekanntesten zeitgenössischen französischen Autoren. In dem autosoziobiografischen Roman beschreibt Louis‘ Ich-Erzähler seinen Ausbruch aus den prekären Lebensumständen, in denen er sich als homosexueller Heranwachsender im Arbeitermilieu seines Heimatdorfes wiederfand. Sein letzter Roman Anleitung ein anderer zu werden (2022) kehrt thematisch zu seinem Versuch zurück, sich jenseits des Herkunftsmilieus neu zu erfinden: Der Ich-Erzähler berichtet von seinem Aufstieg als „Klassenübergänger“ und sieht sich mit der Frage konfrontiert, ob die Transformation der Selbst die erhoffte Befreiung bewirkt. Louis‘ Werke wurden in über 30 Sprachen übersetzt und für das Theater bearbeitet. Seine Texte erzählen von Menschen, die in Literatur selten repräsentiert sind, und legen die strukturelle Gewalt, der Menschen aus unteren Schichten ausgesetzt sind, offen.

Zusätzliche Information

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